Wohnhaus mit Schreinerei aus Ohmenhausen; sog. "Haus auf der Lind"
Datenbestand: Bauforschung
Objektdaten
Straße: | Auf der Lind |
Hausnummer: | 3 |
Postleitzahl: | 72770 |
Stadt-Teilort: | Ohmenhausen |
|
|
Regierungsbezirk: | Tübingen |
Kreis: | Reutlingen (Landkreis) |
Wohnplatzschlüssel: | 8415061011 |
Flurstücknummer: | keine |
Historischer Straßenname: | keiner |
Historische Gebäudenummer: | keine |
Lage des Wohnplatzes: |
Kartenansicht (OpenStreetMaps)
Objektbeziehungen
Ist Gebäudeteil von: | |
1. Gebäudeteil: | Freilichtmuseum Beuren, In den Herbstwiesen |
|
|
Besteht aus folgenden Gebäudeteilen: | |
keine Angabe |
Bauphasen
Das Wohnhaus mit Wirtschaftsteil vereint eine Wohnung, einen Stall und eine Scheune - als Besonderheit sogar noch eine Schreinerwerkstatt - unter einem gemeinsamen Dach mit durchlaufender Firstlinie, mithin also alle wesentlichen, zu einem bäuerlichen Gehöft gehörenden Funktionsbereiche. Es zeigt damit die Gehöftform eines Eindachhofes (auch Streckgehöft genannt), der in verschiedenen Bauphasen entstand. Daneben waren als weitere Gebäude spätestens seit dem 19. Jh. ein als Remise dienender Scheunenanbau, ein Schweinestall, ein Waschhaus sowie ein Mostereischuppen mit Brenneinrichtung und Holzlager vorhanden. Vor der Abtragung schlossen an den nördlichen Scheunengiebel des Hauses niedrige Garagenbauten an. Gegenüber dem Rathaus errichtet, stand das Gebäude wie die nördlich angrenzenden Gebäude im rückwärtigen Teil des zugehörigen Grundstücks, wodurch sich ein platzartiger Raum bis zum Rathaus bildete. Die westliche Traufseite des Hauses war dem Rathaus sowie zu der schräg über den "Platz" verlaufenden Straße "Auf der Lind" angeordnet.
Das Wohnhaus besitzt eine komplett eingerichtete Schreinerei aus den 1920er Jahren. Alles was damals als modern galt, ist hier zu finden: von modernen Details der Einrichtung im Stil der zwanziger Jahre wie Tapeten und fließendem Wasser, bis hin zum ‚Elektrischen’: elektrisches Licht und elektrischer Antrieb für die Maschinen in der Werkstatt. Nicht nur in den Städten pulsierte das Leben in den Zwanzigern, auch auf dem Lande zeigte man sich dem Fortschritt nicht verschlossen, wenn er das Leben erleichterte.
Das Wohnhaus wurde im Jahr 1763 mit einem kleinen Wirtschaftsteil an eine bestehende Scheuer angebaut. 1778 vergrößerte der Besitzer Hanß-Jerg Hornung das Haus durch einen "Anstoß". Der bestehende Fachwerkgiebel wurde versetzt und wiederverwendet. Die alte Scheuer wurde im Jahr 1810 abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt. Größere Renovierungen und Umbauten wurden nach 1878 vom Besitzer Johannes Digel ausgeführt. Das im Bereich des Stalls liegenden Fachwerk musste durch Tuffsteinmauerwerk ersetzt werden. Die auf den "Härten" häufige Außentreppe - dort Trippel genannt - wurde entfernt. Der Eingang in diesem Zuge vom OG ins EG verlegt.
Im Jahr 1923 heiratete der aus Ohmenhausen stammende Schreinermeister Karl Walz die Bauerntochter Wilma Digel. Er zog mit seiner Frau in das Haus der Schwiegereltern und eröffnete dort eine Schreinerwerkstatt. Die Landwirtschaft wurde aufgegeben. In diesem Zeitschnitt wird das Haus im FLM Beuren präsentiert.
Baupase I [1763 - Neubau des Wohnstallhauses]:
Der Neubau des Wohnstallhauses wurde im Jahr 1763 errichtet (d, i), wie ihn neben der dendrochronologischen Datierung auch eine Bauinschrift belegt (Inschrift an einem Deckenbalken des 1. OG: "HIHBH:IN.UMN.ZM.ANO 1763"). Das Gebäude endete folglich in dieser Ebene mit der Stube des 1. Obergeschosses. 1778 fand die erste Erweiterung statt, wobei das Giebeldreieck an die neue Südfassade versetzt wurde (gk). Das neu erbaute Haus endete folglich im Süden in der Ebene der heutigen Stubensüdwand. Im Norden umfasste es noch die südliche Scheunenquerzone und endete zwischen dem gedoppelten Ständerpaar, welches beim genauen Betrachten der beiden Trauffassaden ins Auge fällt. Ferner belegen diese Erstreckung auch die im Dach erhaltenen Abbundzeichen. Der Wohnteil des Gebäudes war als stockwerksweise abgezimmerter Fachwerkbau konstruiert, d.h. jedes Stockwerk bildete für sich eine unabhängig konstruktive Einheit. Die Dachkonstruktion des Wohnstallteils ist noch weitgehend erhalten: Es besteht aus drei Querbindern mit jeweils einem dreifach stehenden Stuhl im 1. DG. Gegenüber dem stockwerksweisen Abbund des Wohnteils ist die anschließende Scheunenquerzone in Geschossbauweise errichtet: Die Eck- und Wandständer reichen bis zur Dachtraufe.
Bauphase II [1778 - Erweiterung des Wohnstallhauses]:
Errichtung eines "Anstoß" resp. Anbaus. Der Steuerwert dieses neuen Gebäudeteils beträgt ein Drittel des Gesamtwertes, was auf seine Größe rückschließen lässt. Der Anbau der südlichen Querzone war vollständig in Fachwerkbauweise konstruiert; die heutigen, gemauerten Umfassungswände des EG stammen erst aus einer späteren Umbauphase. Des Weiteren dürfte die Holzvertäferung der Wände und Decke der Stube in diesem Zuge eingebaut worden sein. Ferner dürften die Bretterläden an den westlichen und südlichen Fenstern des 1. OG aus dieser Zeit stammen.
Bauphase III [1810 - Neubau der Scheune]:
Im Jahr 1810 wurden die beiden nördlichen Querzonen der Scheune neu errichtet (d, i). In den Schriftstücken wird der Umbau wie folgt erwähnt: "Ein Wohnhaus mit Scheuer und Stallung unter einem Dach" (a). Der neu errichtete Scheunenteil wurde als eigener Baukörper, jedoch mit gleicher Trauf- und Firsthöhe sowie mit übereinstimmender Breite an das bestehende Gebäude angebaut. Er ist aus drei Querbundebenen konstruiert, die von Norden nach Süden mit Abbundzeichen durchgezählt sind und das nördlich liegende Tennengefach vom südlichen Barngefach abteilen.
Bauphase IV [1878 - Umbauten und Renovierungen]:
Gegen Ende des 19. Jhs. wurden größere Reparaturarbeiten am Gebäude notwendig: darunter an den Außenwänden; am Treppenaufgang, wobei der alte, außen liegende Trippel abgebrochen wurde; das Fachwerk und die Ausfachungen im OG des Wohnteils wurden teilerneuert. (a)
Bauphase V [um 1924 - Einbau der Schreinerwerkstatt]:
Die Schreinerwerktstatt wurde um das Jahr 1924 im südlichen EG des Gebäudes eingerichtet. In dieser Zeit kamen auch Elektrizität und Wasser ins Gebäude, für die Schreinerei wurde eine Transmission mit Elektromotor eingebaut. Größere Umbauten fanden nicht statt. Das Gebäude war damals schon mit alten, handgestrichenen Biberschwanzziegeln gedeckt, die unteren Reihen hatte man bereits mit maschinell geformten Ziegeln repariert. Die Schriftquellen überliefern, dass 1946 eine Sanierung für besonders notwendig erachtet wird, welche ist allerdings nicht ausgeführt. Ab 1951/52 war der Gebäude nicht mehr bewohnt, die Räume der Schreinerei jedoch noch bis ins Jahr 1985 in Benutzung.
Seit 1991 im FLM Beuren wiederaufgebaut, repräsentiert es dort eine typische Gebäudeform aus dem Vorland der Schwäbischen Alb.
Vgl. http://www.freilichtmuseum-beuren.de/museum/rundgang/wohnhaus-mit-schreinerei-aus-ohmenhausen/ [27.11.2011] und Steffi Cornelius und Barbara Wehling: Hausgeschichten. Ein Führer durch das Freilichtmuseum Beuren, hrsg. vom Landkreis Esslingen, Esslingen 1995, S. 42-45.
(1763)
- Wohnbauten
- Wohnhaus
- Ländl./ landwirtschaftl. Bauten/ städtische Nebengeb.
- Scheune
(1778)
- Anbau
(1810)
- Ländl./ landwirtschaftl. Bauten/ städtische Nebengeb.
- Scheune
(1878)
- Erdgeschoss
- Obergeschoss(e)
(1878 - 1900)
(1923 - 1924)
- Erdgeschoss
- Gewerbe- und Industriebauten
- Werkstattgebäude
(1946)
(1951 - 1985)
(1982 - 1991)
- Siedlung
- Freilichtmuseum
- Anlagen für Bildung, Kunst und Wissenschaft
- Museum/Ausstellungsgebäude
Zugeordnete Dokumentationen
- Bauhistorische Untersuchung
- Restauratorische Untersuchung und Rekonstruktion der Anstriche
Beschreibung
- Siedlung
- Freilichtmuseum
- Wohnbauten
- Wohnhaus
- Anlagen für Bildung, Kunst und Wissenschaft
- Museum/Ausstellungsgebäude
- Gewerbe- und Industriebauten
- Werkstattgebäude
- Ländl./ landwirtschaftl. Bauten/ städtische Nebengeb.
- Bauernhaus
- Scheune
Zonierung:
Konstruktionen
- Dachform
- Satteldach
- Holzgerüstbau
- Unterbaugerüst
- Wandfüllung/-verschalung/-verkleidung
- Bruchstein/Wacken
- Flechtwerk
- Verwendete Materialien
- Beton
- Holz
- Stein
Konstruktion der Wände vermittels Bimshohlblockmauerwerk, ca. 35 cm stark; massiv aus Tuffsteinquadern, ca. 35 cm stark; ihre Oberflächen sind weitestgehend alle verputzt und weiß gestrichen.
Im Innern erfolgte die Konstruktion in Fachwerk mit Ausfachungen aus Bruchstein oder Lehmflechtwerk; ist z.T. offen bzw. besteht aus 0,45 cm breiten Wandstücken aus Bimshohlblocksteinen, massiv, ca. 28 cm stark, oder aus Tuffsteinquadern, ca. 25 cm stark.
Die Decke wurde als firstparallele Bretterlage über Unterzügen quer zur Firstrichtung konstruiert; letztere liegen auf teilweise doppelt geführten Unterzügen der Längsbundebene auf; unregelmäßig angebauchte Stützhölzer unter Steinplatten im OG (Reparaturmaßnahme). Die Oberfläche ist unverkleidet. Die Decke im Treppenhaus besteht aus Lehm auf Latten (nicht ganz klar, da verputzt und weiß gestrichen). Die Treppe ins OG verläuft entlang der Nordwand; der Handlauf ist im Süden.
Die Böden sind unterschiedlich, teils Naturboden (Estrich?) oder lagenweise Bimshohlblocksteine, teils Steinplatten oder Beton.
Obergeschoss:
Konstruktion der Wände in Fachwerk mit Ausfachungen aus Lehmflechtwerk, Bruchstein oder Bimsstein, je ca. 12-15 cm stark; massiv aus Stein, ca. 15 cm stark; als Täferwand.
Die Böden halten u.a. firstparallele einfach Holzdielen (ca. 0,30 m breit) auf traufparallelen Deckenbalken oder Dielenbretter in Nordsüd-Richtung verlegt bereit.
Scheune:
Die Südwand des Barn liegt auf der Grenze zwischen Wohnhaus und Scheune. Konstruktiv bedeutet dies, dass an dieser der stockwerkweise Abbund des Wohnhauses durch den geschossweisen Abbund der Scheune abgelöst wird. Nördlich des Raums verläuft eine Baunaht, wobei durch das Fehlen einer geschlossen Wand nach Norden diese nur anhand der jeweils im Osten und Westen nebeneinanderstehenden Ständer der Bundebene 5 und 6 sowie den Unterzug in Bundebene 5 sichtbar wird. Nach Süden besitzt der Barn eine zugenagelte Tür zum Wohnhaus, nach Westen ein Fesnter; einfacher Bretterborden.
Die Ausfachungenbestehen aus Lehmflechtwerk oder Bruchstein.
Keller:
Der Keller befindet sich im Bereich der IV. bis VII. Querbundebene. Decke, Fußboden und Wände sind einheitlich behandelt. Im Südwesten ist durch Fachwerkwände ein - vermutlich ehemals geschlossener - Raum U1 aus dem restlichen Kellerraum U2 ausgespart. Der Zugang erfolgt über eine einfache Holztreppe zur Falltür in Raum 0.7.
Binnengliederung:
- der Keller ist durch drei Zwischenständer in der 6. Querbundebene in ein schmales nördliches Schiff und ein breites südliches Schiff geteilt;
- das südliche Schiff ist durch Zwischenständer nochmal in eine westliche und eine östliche Hälfte geteilt;
- die westliche Hälfte ist durch Fachwerkwände vom restlichen Keller abgetrennt und wird in der Bauaufnahme mit U1 bezeichnet - der restliche Kellerraum wird U2 benannt;
- 3 Holzständer vor der östlichen Hälfte der Südwand stellen vermutlich eine Reparaturmaßnahme dar.
Wände U1 und U2:
- Außenwände Naturstein-Mischmauerwerk: z.T. Bruchstein, z.T. Quader, unverputzt;
- vor der östlichen Südwand 3 Holzständer, die Unterzug tragen; vor der östlichen Nordwand ein rundes Stützholz;
- Innenwände zwischen U1 und U2 eingestellte Fachwerkwände mit jeweils einem Zwischenständer, Ausfachungen aus Bruchsteinen, verputzt.
Decke U1 und U2: Über beiden Räumen offenstehende Holzdecke.
Die Oberfläche Fußboden U1 und U2 besteht aus gestampftem Lehm.
Treppe:
- der Kelleraufgang befindet sich südlich der 6. Bundebene vor der Westfassade und ist durch eine Falltür verschlossen;
- sehr einfache Holztreppe: in zwei seitlichen Bohlen sind neun Holzbretter als Stufen eingelassen.