Gebäudekomplex
Datenbestand: Bauforschung
Objektdaten
Straße: | Gerbergasse |
Hausnummer: | 10/12 |
Postleitzahl: | 97877 |
Stadt-Teilort: | Wertheim |
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Regierungsbezirk: | Stuttgart |
Kreis: | Main-Tauber-Kreis (Landkreis) |
Wohnplatzschlüssel: | 8128131047 |
Flurstücknummer: | keine |
Historischer Straßenname: | keiner |
Historische Gebäudenummer: | keine |
Lage des Wohnplatzes: |
Kartenansicht (OpenStreetMaps)
Umbauzuordnung
Fachwerkhaus (97877 Wertheim, Gerbergasse 12)
Fachwerkhaus (97877 Wertheim, Gerbergasse 10)
Wohn- und Geschäftshaus (97877 Wertheim, Hospitalstraße 7)
Ehem. Gärtner- bzw. Pflanzenhaus (Tauberhofgarten), Kurt-Lutz-Straße 2 (97877 Wertheim)
Obere Hofapotheke, Rüdigerhof (97877 Wertheim, Marktplatz 3)
Wohnhaus, ehem. Winzerhaus, Mühlenstraße 17a (97877 Wertheim)
Wohnhaus, ehem. Winzerhaus, Mühlenstraße 19 (97877 Wertheim)
Wohnhaus (ehem. Gerberhaus) (97877 Wertheim, Nebenzollgasse 9)
ehem. Wohnhaus, Zollgasse 1 (97877 Wertheim)
Bauphasen
Stadtgeschichtlicher Überblick:
Schon im 14. Jahrhundert erlebte Wertheim eine bis Ende 16. Jh. anhaltende wirtschaftliche Blüte. Der Mainzoll zu Wertheim (1138 erwähnt), das Geleitrecht von Marktheidenfeld bis Bürgstadt auf dem Main und die 1349 gen. Wertheimer Münze bildeten bis ins 19. Jh. eine bedeutende Einnahmequelle der Grafen v. Wertheim und ihrer Erben, mittelbar auch der Stadt. Weiterer wirtschaftlicher Hauptfaktor Wertheims waren Weinbau und -handel. Durch Anschluss an das mittelrheinische Tuchgebiet wurde die Stadt bis in das 16. Jh. ein wichtiger Platz für Tuchproduktion und -handel.
Der Grundriss der Stadt Wertheim wird (nach Festlegung des Siedlungsortes durch die Gründung der Burg am Bergsporn zwischen Main und Tauber) durch die topographischen Verhältnisse stark beeinflusst. Der Hochwasser gefährdete Talsporn gab wenig Raum für die Stadt und ließ eine Ausdehnung nur entlang der schmalen Flussufer und auf dem linken Ufer der Tauber zu. Die Stadt war in vier Teile gegliedert; in das Mühlen-, Brücken-, Eichel- und Tauberviertel. Letzteres war mit dem größeren Stadtteil durch eine auf steinernen Pfeilern ruhende hölzerne Brücke verbunden. Die Hauptachsen bildeten eine von Ost nach West ziehende und eine senkrecht darauf stoßende Straße. An der Kreuzung dieser beider Straßen öffnete sich nach Süden im Zuge der Tauertalstraße der Straßenmarkt. Die übrigen engen Straßen verliefen parallel zur Stadtmauer an den Ufern von Main und Tauber oder liefen als Querstraßen auf die Hauptverkerhrsadern zu. Die Stadt gilt als planmäßig angelegte Kaufmannssiedlung, woraus sich Querverbindungen zur jüdischen Einwohnerschaft ergeben.
Die Juden spielen in Wertheim seit den Anfängen eine hervorzuhebende Rolle. Der mittelalterliche jüdische Friedhof ist heute nach Prag der wichtigste und größte in Europa. Der jüdische Familienname Wertheimer (einer der wichtigsten Namen und weltweit verbreitet) bezieht sich direkt auf die Stadt Wertheim.
Das hier untersuchte Anwesen Gerbergasse 10-12 liegt außerhalb der ersten Stadtummauerung des 12./13. Jh. In diesem (später Brückenviertel genannten) Stadtbezirk siedelten nach 1449 jüdische Familien an und errichteten zwischen Gerbergasse 18 und Spitzem Turm an der Stadtmauer eine Synagoge, die 1520 genannt wird. Vor dem Judenpogrom von 1447 befand sich das Judenquartier im Bereich der heutigen Kapellengasse. Das neue Judenquartier im Brückenviertel lässt sich bis ins 20. Jh. nachvollziehen. Die heutige Gerbergasse hieß 1934 noch Judengasse.
Das heutige Stadtquartier Gerbergasse wird geprägt durch einen Baubestand, der in Zeitstellungen um 1600 und im frühen 17. Jh. errichtet ist. Die kleinteilige Bebauungsstruktur fällt ins Auge und unterscheidet das Stadtquartier von den umliegenden Stadtflächen.
Die untersuchten Gebäude Gerbergasse 10 und 12 ordnen sich in diese historischen Strukturmerkmale ein. Sie dokumentieren eine stadtgeschichtliche Entwicklungsphase in der die Herrschaft Wertheim gegenüber Würzburg seine Eigenständigkeit zwar behaupten kann, durch den Verlust der Ämter Remlingen, Laudenbach, Schweinberg und Freudenberg aber territorial verkleinert wird. Dies geschieht 1617 als Ergebnis der sogenannten 3. Würzburger Fehde. Während dieser jahrelangen Fehde wird insbesondere der Handel stark in Mitleidenschaft gezogen Wertheim verarmt und erholt sich lange nicht. Die wirtschaftliche Blütezeit ist vorbei. Genau das dokumentieren die erhaltenen Gebäude aus dieser Zeit im Bereich der heutigen Gerbergasse mit ihrer kleingliedrigen Bebauungsstruktur. Sie sind in sehr lebendiger Form direkte Zeitzeugen des wirtschaftlichen Niedergangs der Stadt. Es existiert hier ein Widerspruch zu Keramikfunden, die im Rahmen archäologischer Sondierungen auf dem Anwesen Gerbergasse 10-12 zu Tage gefördert wurden. Die Schichtungen des 16./17. Jahrhunderts enthalten Keramikfundstücke aus diesen Zeitstellungen, die als äußerst hochwertig einzustufen sind.
Gleichzeitig ist in diesem Teil des Brückenviertels eine jüdische Besiedlung nachgewiesen (Wiederansiedlung im Jahre 1449 nach der Vertreibung im Rahmen des Judenpogroms 1447).
Nur wenige Jahre vor Errichtung der untersuchten Gebäude wird 1592 die Synagoge neu gebaut (vermutlich am Standort der 1520 erwähnten Judenschule, synonym verwendeter Begriff für Synagoge). Als Standort der Synagoge ist der Bereich zwischen Gerbergasse 18 und dem schiefen Turm an der Stadtmauer bezeichnet.
Eine Klärung von Fragen der Nutzung der Gebäude Gerbergasse 10 und 12, sowie der Funktion und Bedeutung des Stadtquartiers im gesamtstädtischen Zusammenhang im 15.-17. Jahrhundert bleibt weitergehenden bauhistorischen Untersuchungen an den hier datierten und den in der Nachbarschaft gelegenen historischen Gebäuden überlassen.
Die geplante Neubebauung auf dem Areal Gerbergasse 10-12 ist Teil einer umfassenderen städtebaulichen Neugestaltung des Quartiers. Aufgrund der dargestellten besonderen stadtgeschichtlichen Wertigkeit des Quartiers Gerbergasse (u. a. historischer Baubestand des frühen 17. Jahrhunderts als Zeitzeuge des Endes der wirtschaftlichen Blüte der Stadt zu dieser Zeit und Zentrum der jüdischen Besiedlung ab 1449) wäre zu prüfen, inwieweit die städtebauliche Planung an den gewachsenen historischen Strukturen zu orientieren ist.
(1590 - 1650)
(1614)
Das Dachwerk des Gebäudes ist aufgrund der dendrochronologischen Auswertung ins Jahr 1614 datiert. (d)
(1620)
Zugeordnete Dokumentationen
- Dendrochronologische Baualtersbestimmung der Dachwerke
Beschreibung
- Siedlung
- Stadt
- Wohnbauten
- Wohnhaus
Zonierung: