Liebenstein'sches Schlösschen bzw. sog. Storchen
Datenbestand: Bauforschung
Objektdaten
Straße: | Wühlestraße |
Hausnummer: | 36 |
Postleitzahl: | 73033 |
Stadt-Teilort: | Göppingen |
|
|
Regierungsbezirk: | Stuttgart |
Kreis: | Göppingen (Landkreis) |
Wohnplatzschlüssel: | 8117026004 |
Flurstücknummer: | keine |
Historischer Straßenname: | keiner |
Historische Gebäudenummer: | keine |
Lage des Wohnplatzes: |
Kartenansicht (OpenStreetMaps)
Keller (73033 Göppingen, Lange Straße 1)
Keller (73033 Göppingen, Lange Straße 3)
Wohnhaus (73033 Göppingen, Schloßstraße 12)
Bauphasen
Das Gebäude Wühlestraße 36 in Göppingen wurde im Jahr 1536 (d) unter Einbeziehung eines älteren Gebäudes (Stadtmauerturm?) an die vorhandene Stadtmauer gebaut. Als Bauherr des sog. Liebenstein'schen Schlösschens ist Hans von Liebenstein anzusehen. Mit dem Besitzwechsel von der Familie von Liebenstein an den Arzt Dr. Oetinger im Jahr 1781 erfolgten umfangreiche Umbau- und Sanierungsmaßnahmen, die sich im äußeren Erscheinungsbild vor allem durch die geohrten Öffnungsgewände abzeichnen (s). Seit der Einrichtung einer Weinwirtschaft und der Gründung des Vereins „Storchiana“ wird das Gebäude seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts als „Storchen“ bezeichnet. 1938 ging das Gebäude durch Kauf an die Stadt Göppingen über und wurde nach umfangreichen Instandsetzungsmaßnahmen zum städtischen Museum umgenutzt.
(1250 - 1350)
Die südwestliche, massiv gemauerte Außenwand des Gebäudes wird als Rest der ehemaligen Stadtmauer angesehen. An beiden Gebäudegiebelseiten lassen sich noch Unregelmäßigkeiten im
Mauerwerk bzw. Baufugen ablesen, die darauf hindeuten, dass das Wohngebäude erst nachträglich gegen die Stadtmauer gebaut wurde.
- Befestigungs- und Verteidigungsanlagen
- Stadtmauer
(1300 - 1450)
Baufugen an den Traufseiten des Gebäudes sowie die Tatsache, dass der Gewölbekeller die südliche Gebäudeecke ausspart, sprechen dafür, dass der massive, mit einem Tonnengewölbe versehene Raum in der südlichen Ecke des Erdgeschosses einem Vorgängergebäude angehört. Hierbei könnte es sich um einen ehemaligen Stadtmauerturm handeln, der aus strategischen Gründen in einem Knick der Stadtmauer angeordnet wurde. Denkbar wäre auch ein Wohnturm der gehobenen Bürgerschaft, wogegen allerdings die Lage an der Stadtmauer spricht.
- Befestigungs- und Verteidigungsanlagen
- Turm
- Residenz- und Hofhaltungsbauten
- Palais
(1536)
Sowohl eine inschriftliche Datierung am nordwestlichen, rundbogigen Türgewände als auch die dendrochronologische Altersbestimmung belegen eine Erbauung des Gebäudes im Jahr 1536 (d, i). In diese Zeit sind neben dem Fachwerk und dem Dachtragwerk auch der Gewölbekeller sowie die nordwestliche und etwa die Hälfte der nordöstlichen Außenmauer zu datieren. Als Bauherr des Gebäudes ist Hans von Liebenstein anzusehen.
- Wohnbauten
- Patrizierhaus
(1781)
Archivalien belegen für das Jahr 1781 einen Besitzwechsel (a). Bis dahin war die Familie von Liebenstein im Besitz des Anwesens, welches nun an den Arzt Dr. Gottlieb Friedrich Oetinger um 2200 Gulden verkauft wurde. Die dendrochronologische Datierung der Innenwand im 2. OG neben dem Treppenhaus belegt nun eine Bauphase für das Jahr 1781 (d). Entsprechend ist davon auszugehen, dass der neue Eigentümer umfangreiche Umbau- und Sanierungsmaßnahmen an dem damals schon fast 250 Jahre alten Gebäude vornahm. Zu diesen „Barockisierungsmaßnahmen“ zählen sehr wahrscheinlich auch die geohrten und profilierten Öffnungsgewände in den beiden massiven Vollgeschossen (s). Außerdem dürfte in dieser Zeit das Treppenhaus in die nördliche Gebäudeecke verlagert worden und die Bohlenstube im 2. OG einer „moderneren“ Stube gewichen sein. Die einer Enfilade nachempfundenen Verbindung der Wohnräume im 2. OG mit den heute noch teilweise vorhandenen profilierten Türrahmungen dürften ebenfalls dieser Umbauphase angehören.
(1806)
Nach dem Tod des Arztes Dr. Oetinger erwarb 1806 der Kommerzienrat Johann Christoph Dunker (Gründer der Firma Schachenmayr in Salach) das Gebäude (a).
(1824)
Dunker verkaufte das Anwesen 1824 an den Küfer Georg Seitz (a).
(1850)
1850 erwarb der Gastwirt Georg Bantel infolge der Heirat mit Anna Maria, der ersten Frau von Christian Eberhard Seitz (Sohn des Georg Seitz), das Gebäude. Bantel eröffnete im 1. Obergeschoss eine Weinwirtschaft. Dort wurde von trinkfreudigen Göppinger Bürgern ein geselliger Verein mit dem Namen „Storchiana“ gegründet, welcher dem Gebäude im Volksmund schließlich den Namen „Storchen“ einbrachte.
(1882)
Der Fabrikant Karl Eugen Langbein zog nach dem Tod seines Schwiegervaters Georg Bantel im Jahr 1882 in das Haus, das sich in der Familie Langbein weiter vererbte , bis es 1938 von der Stadt Göppingen erworben wurde (a).
(1938 - 1949)
1938 wurde das Gebäude von der Stadt Göppingen gekauft und ab 1939 saniert (a). Zunächst wurde das Fachwerk freigelegt. Wie eine Bauaufnahme von 1938 zeigt, war das bauzeitliche Fachwerk von 1536 erheblich durch diverse Umbauphasen gestört. Somit mussten große Teile des Fachwerks rekonstruiert werden, um den heute noch vorhandenen Eindruck eines frühneuzeitlichen Fachwerks zu erwecken.
Ab 1945 erfolgte die Innenrenovierung des Gebäude, welches schließlich seit 1949 als städtisches Museum genutzt wird.
- Anlagen für Bildung, Kunst und Wissenschaft
- Museum/Ausstellungsgebäude
Zugeordnete Dokumentationen
- Bauhistorische Kurzuntersuchung
Beschreibung
- Siedlung
- Stadt
- Wohnbauten
- Patrizierhaus
Die südwestliche Massivaußenwand stellt einen Teil der ehemaligen Stadtmauer dar. An der westlichen Gebäudeecke befindet sich ein massiv gemauerter Kellerhals mit rundbogigem Kellertor.
An der nördlichen Gebäudeecke steht ein eingeschossiger, massiv gemauerter Anbau mit Satteldach.
Zonierung:
Das Erdgeschoss zeigt eine zeittypische Erdgeschosshalle, welche durch einen Mittellängsunterzug auf zwei Pfosten in zwei Längszonen unterteilt ist. Bemerkenswert ist der massive Raum mit Tonnengewölbe in der südlichen Ecke, welcher wohl auf ein Vorgängergebäude zurück geht.
Das 1. Obergeschoss zeigt noch gut ablesbar drei Längs- und drei Querzonen, wobei die mittlere Längszone einen Mittellängsflur aufnimmt. Hierbei fällt auf, dass die Grundrisszonierung von den
darüber befindlichen Geschossen abweicht.
Im 2. Obergeschoss lässt sich die ehemalige Grundrissgliederung aufgrund jüngerer Veränderungen nur noch schwer nachvollziehen. Offenbar befanden sich hier ursprünglich nur zwei Längszonen in Analogie zum Dachtragwerk und drei Querzonen. Hier dürfte sich einst die eigentliche Wohnetage befunden haben. In der südlichen Ecke lässt sich die ehemalige Stube nachweisen. In der mittleren Querzone muss das ehemalige Treppenhaus gelegen haben.
Das 1. Dachgeschoss war wohl schon zur Erbauungszeit zu Wohnzwecken ausgebaut, wie die hier vorhandene Bohlenstube belegt. Möglicherweise ist dieser Stubenraum aber auch nur als
eine Art Sommerstube anzusehen. Hier lässt sich ebenfalls eine Grundrissgliederung mit zwei Längs- und drei Querzonen erkennen, wobei insgesamt sechs Querbundachsen durch die
liegende Stuhlkonstruktion vorhanden sind.
Das 2. Dachgeschoss wurde wohl erst für das Museum ausgebaut.
Das gesamte Gebäude (ausgenommen des Gewölbekellers) wird zu musealen Ausstellungszwecken genutzt.
Konstruktionen
- Holzgerüstbau
- Unterbaugerüst
- Wandfüllung/-verschalung/-verkleidung
- Bruchstein/Wacken
- Decken
- Balkendecke
- Gewölbe
- Tonnengewölbe
- Verwendete Materialien
- Holz
- Dachform
- Satteldach
- Dachgerüst Grundsystem
- Sparrendach, q. geb. mit liegendem Stuhl
- Detail (Ausstattung)
- Bohlenstube
- Gestaltungselemente
- Zierglieder im Steinbau
wurde. Die Gefache wurden auch hier weitestgehend mit Bruchsteinen ausgefacht; lediglich jüngere Umbauphasen verwendeten hier Backsteine oder Bimsbetonsteine.
Das Dachtragwerk des Sparrendachs besteht im ersten Dachgeschoss aus einer zweifach liegenden Stuhlkonstruktion mit Mittellängsunterzug. Im zweiten Dachgeschoss befindet sich eine zweifach liegende Stuhlkonstruktion. Die gesamte Fachwerkkonstruktion, die weitestgehend aus Eichen- und Tannenholz besteht, wurde nahezu durchgängig mit verzapften Holzverbindungen erstellt. Allein im Bereich der ehemaligen Bohlenstube im 2. OG und der vorhandenen Bohlenstube im 1. DG finden sich verblattete Holzverbindungen, welche Voraussetzung für die Erstellung einer
Bohlenstube sind. Die Querbundachsen sind mit Abbundzeichen in Form von Halbrundkerben versehen, die jedoch keine durchgängige Zählung erkennen lassen. Dennoch kann nach den gefügekundlichen Merkmalen davon ausgegangen werden, dass das gesamte Dachtragwerk des Gebäudes einheitlich und zeitgleich errichtet wurde.
Die vor ein paar Jahren durchgeführte dendrochronologische Datierung des Dachtragwerks erbrachte ein Fälldatum im Winter 1535/36. Die nun durchgeführte dendrochronologische Untersuchung belegt eine Fällung der Bauhölzer der Deckenbalken über dem 2. OG im Winter 1535/36. Somit kann die Erbauung des Fachwerkgefüges für das Jahr 1536 untermauert werden.
Die Bauhölzer der südöstlich neben dem Treppenhaus gelegenen Innenwand im 2. OG konnten dendrochronologisch auf Winter 1780/81 datiert werden. Somit kann davon ausgegangen werden,
dass diese Innenwand erst im Jahr 1781 errichtet wurde.