Scheuer aus Gärtringen
Datenbestand: Bauforschung
Objektdaten
Straße: | Schmiedstraße |
Hausnummer: | 14a |
Postleitzahl: | 71116 |
Stadt-Teilort: | Gärtringen |
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Regierungsbezirk: | Stuttgart |
Kreis: | Böblingen (Landkreis) |
Wohnplatzschlüssel: | 8115015001 |
Flurstücknummer: | keine |
Historischer Straßenname: | keiner |
Historische Gebäudenummer: | keine |
Lage des Wohnplatzes: |
Kartenansicht (OpenStreetMaps)
Objektbeziehungen
Ist Gebäudeteil von: | |
1. Gebäudeteil: | Freilichtmuseum Beuren, In den Herbstwiesen |
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Besteht aus folgenden Gebäudeteilen: | |
keine Angabe |
Bauphasen
Als eine der letzten noch erhaltenen Unterfirstständerbauten im Mittleren Neckarraum steht diese Scheune für eine im Spätmittelalter weit verbreitete Konstruktionsweise. Sie wurde Ende des 15. Jh.s - so die Dendroanalyse - errichtet und erfuhr im Lauf der Jahrhunderte keine tiefgreifenden Umbauten, weswegen sie im FLM Beuren im Erbauungszustand wiederaufgebaut wurde. Infolge wurden die Gefachfelder mit Lehmflechtwerk geschlossen und ein Stroh-Lehm-Dach aufgezogen. Sie bildet dort mit dem gegenüberliegenden Hof Mannsperger aus Tamm (LB) ein Parallelgehöft, das das Eingangsensemble des Museums bildet. Die Scheune begrenzt zugleich die Terrasse der Gaststätte, beherbergt das "Museumslädle" und dient aufgrund ihrer großräumigen Struktur für Veranstaltungs- und Ausstellungszwecke.
Das restauratorische Gutachten von Lutz Walter, ergänzt sowie letztlich auch gestützt durch die bauhistorische und archäologische Untersuchung, legt fünf Bauphasen dar, die in eine relative Chronologie gebracht werden konnten. Sie lassen sich vor allem durch die unterschiedlichen Materialien, die zur Ausfachung verwendet wurden, voneinander unterscheiden (Mörtel, Mauerwerk, Putz und Farbfassungen). Eine absolute Datierung der Umbauphasen gelang aber weder durch die Aufarbeitung der Archivalien noch durch den Versuch einer dendrochronologischen Untersuchung der Reparaturhölzer.
Vgl.: http://www.freilichtmuseum-beuren.de/museum/rundgang/scheuer-aus-gaertringen/ [22.10.2011], Steffi Cornelius und Barbara Wehling: Hausgeschichten. Ein Führer durch das Freilichtmuseum Beuren, hrsg. vom Landkreis Esslingen, Esslingen 1995, S. 18-21 und Steffi Cornelius: Kurzführer durch das Freilichtmuseum Beuren, hrsg. vom Landkreis Esslingen, Beuren 2004, S. 8.
(1495 - 1496)
Errichtung der Scheune im Frühjahr 1496 (d); Besitzer wie erster Bauherr unbekannt. Diese Erkenntnis, gewonnen aus einer dendrochronologischen Untersuchung, wird durch eine archäologische Untersuchung bestätigt (Keramikreste aus der 2. Hälfte des 15. Jh.s im Untergrund unter der Scheune sowie Fundamentreste eines direkten Vorgängerbaus unter dem Bereich des westlichen Einfahrttores, möglicherweise aus der Zeit um 1000).
Hist. Anm.: Übergang vom Geschoss- und Firstständerbau zum neuzeitlichen Stockwerkbau sowie die Zunahme verzapfter anstelle verblatteter Holzverbindungen, was deutlich wird an der gewählten Konstruktion des stehenden Stuhles mit überblatteten Steigbändern; eine typische Konstruktionsweise des ausgehenden 15. Jh.s
- Siedlung
- Dorf
- Ländl./ landwirtschaftl. Bauten/ städtische Nebengeb.
- Scheune
(1579)
Zu dieser Zeit gehörte die Scheuer dem Gärtringer Schultheiß Veit Wencher. Ein Schultheiß war herrschaftlicher Beamter und vor allem für das Gebiet des Finanzwesens und der Rechssprechung zuständig. Veit Wencher zählte nach einer Steuerliste von 1545 zu den reicheren Bürgern des Dorfers. Bis 1694 bleibt das Gebäude im Besitz seiner Erben. Im Anschluss wechselten die Besitzer innerhalb kurzer Zeiträume mehrfach; die Scheune wird Spekulationsobjekt - dient als "Geldanlage" und finanzielle Sicherheit - und ist teilweise gar unter mehreren Besitzern aufgeteilt, gehört jedoch immer Angehörigen der dörflichen Oberschicht (Schultheißen, Handwerkern...).
Zur Besitzgeschichte vgl. die ausführliche Zusammenstellung von S. Rumpel [Hausbiographie] aus dem Jahr 1990.
(1800 - 1870)
Aus dieser zweiten Bauphase stammt fast das gesamte jüngere Fachwerk der Fassaden sowie das des nordwestlichen EG-Einbaus, da sich dort überall noch Ausfachungen aus Bruchsteinmauerwerk in Lehmmörtel erhalten haben (gk). Diese Ausfachungen stellen die ersten feststellbaren Veränderungen gegenüber den bauzeitlichen Lehmflechtwerkausfachungen dar. Mittels eines Schätzungsprotokolles von 1870, worin bereits Wände aus "gemauertem und gezäumten Fachwerk" aufgeführt werden, kann diese Reparaturphase vor 1870 (terminus ante) datiert werden. Laut restauratorischem Gutachten gehört sie wahrscheinlich dem 19. Jh. an. Vgl. den Umbau auch mit dem Fund eines Dachziegels (Fundstück 1 in Dokumentation "bauhistorische Untersuchung"), der in der westlichen Dachhälfte verbaut wurde und laut Prägung ins Jahr 1817 datiert.
(1850 - 1900)
Die dritte Bauphase datiert wohl auch noch ins 19. Jh. (gk, s). Diese Annahme resultiert aus der Begutachtung des jüngeren Fachwerks im Dachgeschoss der Südgiebelwand, wo sich ausschließlich Ausfachungen aus Bruchsteinmauerwerk in Kalkmörtel befinden.
(1870 - 1910)
Für die vierte Bauphase sind am Gebäude ausschließlich Reparaturen an den Ausfachungen belegt (gk).
Ferner sind in dieser Zeit Veränderung der Raumaufteilung archivalisch belegbar (a), die entweder der dritten oder vierten Bauphase zuzurechnen ist: Im Schätzungsprotokoll von 1870 wurden als Gelasse eine Tenne, zwei Futterkammern und zwei Bärne aufgeführt. Im Schätzungsprotokoll von 1910 sind wiederum die Tenne und die beiden Bärne erwähnt, letztere werden hier als "erhöht" näher spezifiziert. Als Tenne dürfte damit die mittlere Scheunenzone bezeichnet sein, die erhöhten Bärne dürften sich in den äußeren Querzonen befunden haben. Statt der beiden 1870 erwähnten Futterkammern werden 1910 zwei Strohställe und eine Futterkammer sowie drei unbelegte Gebälke erwähnt, deren Lage jedoch wegen der nur knappen Auskünfte in den Schätzungsprotokollen nicht mehr rekonstruierbar ist.
(1920)
(1945 - 1999)
Die fünfte Bauphase datiert in die 2. Hälfte des 20. Jh.s (gk): Für die Gefachreparaturen und -vermauerungen wurden Ziegel- und Bims-Hohlblock-Steine in Kalk-Zementmörtel verwendet.
(1990 - 1995)
- Siedlung
- Freilichtmuseum
- Anlagen für Bildung, Kunst und Wissenschaft
- Museum/Ausstellungsgebäude
Zugeordnete Dokumentationen
- Bauhistorische und archäologische Untersuchung; kulturwissenschaftliche Untersuchung
- Bauhistorische Voruntersuchung
- Restauratorische Untersuchung
- Bauaufnahme
Beschreibung
- Siedlung
- Freilichtmuseum
- Anlagen für Bildung, Kunst und Wissenschaft
- Museum/Ausstellungsgebäude
- Ländl./ landwirtschaftl. Bauten/ städtische Nebengeb.
- Scheune
Zonierung:
Konstruktionen
- Holzgerüstbau
- Hochständergerüst
- Dachform
- Satteldach
- Wandfüllung/-verschalung/-verkleidung
- Backstein/Lehmziegel
- Bruchstein/Wacken
- Lehmwickel
- Mischbau
- Holzbau mit Gebäudeteil aus Stein
- Verwendete Materialien
- Putz
Alle vier Fassaden zeigen offen stehendes Fachwerk. Die Gefache waren ursprünglich verputzt und mit einer weißen Kalktünche versehen, wobei der Gefachaufbau vermittels Lehmflechtwerk, Bruchsteinmauerwerk sowie Bimsstein- und Ziegelmauerk erfolgte (verschiedene Bauphasen).
Ursprüngliche Nordgiebelwand:
Das Fachwerkgefüge der Nordfassade wird von dem mittigen Unterfirstständer geprägt, der aus einem Holz gearbeitet von der EG-Schwelle bis zur Unterfirstpfette unterhalb des Hahnenbalkens reicht. Dieser fast 10 m hohe Ständer wird vom EG-Rähm und vom Kehlbalken überblattet, wobei die Überblattungen durch je einen Holznagel gesichert sind. Ursprünglich kreuzte ihn mittig zwischen Kehlbalken und Hahnenbalken ein weiterer horizontaler Balken (Riegel), wie die Blattsassen am Ständer und die zugehörigen Sassen an den Sparren zeigen. Im EG ist noch in der westlichen Hälfte weitgehend das Fachwerk des ersten Bauzustandes erhalten. Mittig zwischen dem Unterfirstständer und dem Eckständer befindet sich ein Zwischenständer, der in die Schwelle eingezapft, an das Rähm jedoch mit einem Schwalbenschwanzblatt angeblattet ist. Die Anblattung ist durch zwei Holznägel gesichert. Zwei geschosshohe, in Schwelle und Rähm gezapfte Streben steigen bds. des Zwischenständers nach außen hin an. Am Rähm enden sie dicht neben dem Eck- bzw. dem Unterfirstständer.
Die Wandfelder zwischen den Ständern wurden dreifach verriegelt. Die Riegel sind in den Eckständer und den Unterfirstständer gezapft und hinterblatten die Zwischenständer sowie die Streben. An den Kreuzungspunkten zwischen Strebe und Riegel besitzen die Streben einen einfachen Versatz. Die Verbindungen der Riegel mit den Streben und den Ständern sind in den meisten Fällen durch einen Holznagel gesichert.
Aus einem späteren Bauzustand stammen der kurze Stiel zwischen dem unteren und dem mittleren Riegel westlich des Unterfirstständers, die beiden Stiele zwischen dem oberen Riegel und dem Rähmholz, die für den Einbau einer Luke angebracht wurden sowie die drei auf dem mittleren Riegel aufliegenden Balkenköpfe der Zwischendecke im nordwestlichen EG-Feld.
Ausfachungen des ersten Bauzustandes aus Lehmflechtwerk blieben noch partiell in den drei oberen Riegelfeldern erhalten, der Gefachaufbau des unteren Riegelfeldes besteht dagegen weitgehend aus Bruchsteinmauerk das aus einer späteren Bauphase stammt. [...] (ausführliche Forsetzung der Konstruktionsbeschreibung in der bauhistorischen Untersuchung durch Armin Seidel/Denkendorf, Thomas Schmid/Stuttgart [u.a.], vgl. bauhistorischen Untersuchungsbericht in gleichnamiger Dokumentation).
Holzarten:
Alle noch aus dem ersten Bauzustand stammenden Hölzer bestehen nachweislich aus bebeiltem Eichenholz. Für spätere Reparaturen oder Einbauten nutzte man hauptsächlich Nadelhölzer, es wurden jedoch vereinzelt auch Eichenhölzer aus dem ersten Bauzustand wiederverwendet sowie neue Eichenhölzer (gesägt) verbaut. So bestehen die aus einem Umbauzustand stammenden Deckenbalken des EG aus gesägter Eiche.