Schiefes Haus (Großbottwar)

Datenbank Bauforschung/Restaurierung

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Wohn- und Geschäftshaus Tübinger Straße Ecke Sophienstraße

ID: 172206919814  /  Datum: 11.10.2012
Datenbestand: Bauforschung
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Objektdaten

Straße: Tübinger Straße
Hausnummer: 22
Postleitzahl: 70178
Stadt-Teilort: Stuttgart

Regierungsbezirk: Stuttgart
Kreis: Stuttgart (Stadtkreis)
Wohnplatzschlüssel: 8111000050
Flurstücknummer: keine
Historischer Straßenname: keiner
Historische Gebäudenummer: keine
Lage des Wohnplatzes: Lage des Wohnplatzes

Kartenansicht (OpenStreetMaps)

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Objektbeziehungen

keine

Umbauzuordnung

keine

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Bauphasen

Kurzbeschreibung der Bau-/Objektgeschichte bzw. Baugestaltungs- und Restaurierungsphasen:

Zum Gebäude Tübinger Straße 22 Ecke Sophienstraße 21a blieben zum einen zwei Entwässerungspläne aus den Jahren 1900 (6) und 1919 (6/1a) erhalten, die in Form von Schnitten im Maßstab 1:100 jeweils das Kellergeschosses wiedergeben. Zum anderen sind eine Vielzahl an Baugesuchsakten aus den Jahren 1904 (2), 1914 (3), 1920 (4), 1921 (5), 1932 (7), 1935 (8), 1939 (12), 1946 (15/1), 1947 (14), 1949 (13, 15), 1954 (13), 1956 (13, 19/1), 1957 (13, 19, 19/1), 1967 (27), 1972 (27, 30), 1980 (32), 1989 (33), 2005 (41) und 2006 (40, 42) überkommen. Nebst dem originalen Bauplansatz aus dem Jahr 1899, werden die genannten Gesuche im Baurechtsamt der Landeshauptstadt Stuttgart archiviert, wo die hier in Klammern angegebenen Zahlen die modernen Aktennummer bezeichnen. Sie wurden, von wenigen Ausnahmen abgesehen, in chronologischer Reihenfolge vergeben. Dabei impliziert die Nennung von zwei und mehr Akten teils, wenn auch selten die Doppelverwendung von Plänen in Folgegesuchen, teils resultieren sie aus dem Umstand unterschiedlicher Baugesuche innerhalb ein und desselben Jahres. Es liegen in diesen Grundrisse, Schnitte und/oder Ansichten sowie in der Regel begleitend gefertigte Lagepläne vor, die die Baugeschichte des Eckgebäudes in regelmäßigen, seit dessen Erbauung bis ins Jahr 2006 beschreiben.
Für die bauhistorische Analyse ist der Erhalt der originalen Baupläne von großer Bedeutung, angefertigt im Jahr 1899 von Alfred Seitz, der verantwortlicher Architekt im Auftrag des Weinhändlers Julius Adler. Dass sie einst auch die Grundlage für die Errichtung des Gebäudes darstellten, ist, trotz tiefgreifender Veränderungen, in den Folgejahrzehnten bis heute am derzeitigen Baubestand nachvollziehbar und wird durch diverse Bestandspläne auch bestätigt. Ihre Qualität und Präzision ermöglicht eine konkrete Vorstellung der ursprünglichen äußeren Gestalt und internen Struktur, wie sie anhand der überkommenen Bausubstanz heute nicht mehr nachvollziehbar ist.


1. Bauphase:
(1899 - 1900)
Errichtung des Gebäudes im Auftrag des Weinhändlers Julius Adler. (a, i)
Betroffene Gebäudeteile:
keine
Bauwerkstyp:
  • Wohnbauten
    • Wohn- und Geschäftshaus

2. Bauphase:
(1904 - 1914)
Für zwei weitere Baumaßnahme beauftragte der Weinhändler den Architekten Alfred Seitz. Zunächst für die Aufstellung eines Destillationsofens 1904, wofür Seitz einen Erd- bzw. Untergeschossgrundriss des Hofraumes vorlegte. Im Jahr 1914 für die Einrichtung einer Niederdruckdampfheizung, mit der ferner auch geringfügige bauliche Veränderungen verbunden waren. (a)
Betroffene Gebäudeteile:
keine

3. Bauphase:
(1932)
Spätestens seit 1932 – Terminus ante quem – war das Gebäude in den Besitz der All-gemeine Rentenanstalt zu Stuttgart (ARA) übergegangen, während das nahtlos an-grenzende Wohnhaus Sophienstraße 21b mit Hofraum entlang der „Wesleyanischen Methodistenkirche“ (zeitgenössische Bezeichnung) weiterhin im Besitz von Julius Adler verblieb, so der Lageplan, verfasst im Maßstab 1:250, der das Baugesuch des Jahres 1932 begleitet. Im Rahmen des Eckgebäudes wird auf selbigen hingegen die ARA als Bauherr und damit als dessen „neuer“ Besitzer genannt. (a)

Die ARA verfügte somit spätestens im Lauf der 1930er Jahre über einen Großteil des weitläufigen
Gebäudebestandes auf dem eingangs beschriebenen Geviert.
Betroffene Gebäudeteile:
keine

4. Bauphase:
(1935)
Im Jahr 1935 wurde der bauliche Zusammenschluss der Gebäudehälfte Tübinger Straße mit dem südwestlichen Nachbarbau ersucht. (a)
Betroffene Gebäudeteile:
keine

5. Bauphase:
(1946 - 1949)
Als umfangreich erweisen sich die drei Plansätze der Jahren 1946, 1947 und 1949,45 die eine zumindest
mittelschwere Beschädigung des Gebäudes Tübinger Straße Ecke Sophienstraße mit samt
dem zughörigen Hofraum als Folge des Zweiten Weltkrieges nahelegen, zumal im Jahr 1946 wörtlich
auch die „Instandsetzung“46 ersucht wurde. Dabei bezieht sich dieses Gesuch auf den Gebäudeteil entlang der Tübinger Straße, während das des Jahres 1947 jenem entlang der Sophienstraße vorbehalten blieb. Das Baugesuch von 1949 beschreibt hingegen in erster Linie den
Umbau der Tübinger Straße 24.

Große bauliche Veränderungen erfolgten nach Kriegsende, beginnend 1946, im Rahmen der Obergeschosse
und betrafen insbesondere das Dachwerk. Während man an der Höhe der Vollgeschosse
festhielt, wurden die Räume unter der Dachhaut um ein ganzes Geschoss reduziert. Ersetzt wurde
dabei das bauzeitliche zweigeteilte Krüppelwalmdach durch ein ebenfalls zweigeteiltes und mit
Gauben versehenes Satteldach. Verzichtet wurde offensichtlich auf die „Wiedererrichtung“ des
Zwerchhauses über der mittleren Fensterachse der Gebäudehälfte Tübinger Straße sowie die bekrönende Dachzier in Form der des Turmhelmes; der Kastenerker in der Gebäudemitte erstreckt
sich zwar nach wie vor bis zur Traufe, wird in seiner polygonalen Form auf Höhe des 4. Obergeschosses jedoch nunmehr von einem flachen Pyramidendach abgeschlossen. Seine einst in Form und Dekor aufwendige Gestalt wurde demnach deutlich und zu Ungunsten der bauzeitlich betonten Zentralität der Fassade reduziert.
Desweiteren wurden zwei Eingänge in der zweiten und dritten Arkade auf Seiten der Tübinger Straße
geschaffen, die aus einem Umbau der dahinterliegenden Ladenräume zur Apotheke resultierten.
Sie hatten nur kurzen Bestand, denn bereits 1949 waren sie wieder geschlossen und auch die interne Struktur zugunsten von zwei längs gerichteten anstelle der beiden die Gebäudetiefe durchlaufende Räume. Der Zugang ins Gebäude selbst erfolgte über den nach wie vor existenten bauzeitlichen Eingang in der ersten Arkade.
Die „Instandsetzung“ blieb auch für den neogotischen Fassadendekor nicht folgenlos, der, trotz
fehlender Quellen, vermutlich auch ohne größere Schäden nicht unbedingt erhalten worden wäre,
was die einheitliche Reduzierung über das gesamte Gebäude zu erklären vermag. Ferner sei auf
weitere Veränderungen der Raumdisposition im Gebäudeinnern hingewiesen, auch wenn auf eine
ausführliche Beschreibung in Anbetracht weiterer Umstrukturierungsmaßnahmen der Folgejahrzehnte
an dieser Stelle und mit Verweis auf die aussagekräftigen Grundrisse verzichtet wird.
Betroffene Gebäudeteile:
Betroffene Gebäudeteile
  • Obergeschoss(e)
  • Ausstattung

6. Bauphase:
(1950 - 1969)
Die Baugesuche der 1950er und 1960er Jahre sind im Planbestand sehr umfangreich, sie
betreffen vornehmlich die Räume im Erdgeschoss sowie zeitgemäße technische Modernisierungsmaßnahmen.
Betroffene Gebäudeteile:
Betroffene Gebäudeteile
  • Erdgeschoss
  • Ausstattung

7. Bauphase:
(1957)
1957 war der den Einbau einer Personen-Aufzugsanlage, seitlich des Treppenhausturmes sowie die
Erweiterung der Zugangsmöglichkeit auf dieser Hausseite vorgesehen. (a)
Betroffene Gebäudeteile:
Betroffene Gebäudeteile
  • Ausstattung

8. Bauphase:
(1972)
Das Baugesuch beschreibt das Vorhaben einen „Notausstieg mit Steigeisen“ vom 2. ins 1. Untergeschoss
an der hofseitigen Außenwand des Hofraumes entlang zu führen; der eigentlich Bauanlass aber war eine Laden-Erweiterung. (a)
Betroffene Gebäudeteile:
Betroffene Gebäudeteile
  • Untergeschoss(e)

9. Bauphase:
(1980)
Im Juni 1980 reichte die ARA ein Nachtragsgesuch zur Vornahme baulicher Änderungen im Bereich
des Dachgeschosses ein, das im Zusammenhang mit der Brand- und Feuerschau am 20. Februar
desselben Jahres stand. (a)
Betroffene Gebäudeteile:
keine

10. Bauphase:
(1989 - 2006)
Die letzten vier Baugesuche aus den Jahren 1989 bis 2006 betreffen ausschließlich bauliche Veränderungen der Ladenräume im Erdgeschoss, die den unterschiedlichen Nutzungszwecken der jeweiligen Pächter angepasst wurden. Darunter erfolgte der Einbau von Sanitäranlagen im 1. Untergeschoss sowie das Einziehen von Zwischenwänden im Januar 2006. (a)
Betroffene Gebäudeteile:
Betroffene Gebäudeteile
  • Erdgeschoss
  • Untergeschoss(e)

11. Bauphase:
(2010 - 2011)
Abrissarbeiten im Bereich des ehemaligen Gerber-Quartiers, das die
Paulinenbrücke, die Tübinger Straße und Sophienstraße sowie die Marienstraße begrenzen; dabei erfolgte die vollständige Entkernung des Gebäudes Tübinger Straße 22 Ecke Sophienstraße 21a. (a) Diesen Baumaßnahmen liegt ein Neubauprojekt für das Gelände zugrunde, demzufolge in naher Zukunft ebenda ein Einkaufs-, Wohn- und Bürozentrum - das sog. "Gerber" - entsteht. (a)
Betroffene Gebäudeteile:
keine

Besitzer:in

keine Angaben

Fotos

Abbildungsnachweis
Ansicht Ecksituation Tübinger Straße/Sophienstraße (2011) / Wohn- und Geschäftshaus Tübinger Straße Ecke Sophienstraße in 70178 Stuttgart, Stuttgart-Mitte (09.08.2011 - strebewerk)
Abbildungsnachweis
Ansicht Tübinger Straße / Wohn- und Geschäftshaus Tübinger Straße Ecke Sophienstraße in 70178 Stuttgart, Stuttgart-Mitte (19.10.2011 - Dia 0-00 (Aussenansicht-SO))
Abbildungsnachweis
Treppenhaus Bauteil Sophienstraße / Wohn- und Geschäftshaus Tübinger Straße Ecke Sophienstraße in 70178 Stuttgart, Stuttgart-Mitte (20.10.2011 - Dia 1-18 )
Abbildungsnachweis
Treppenhaus nach Südwesten / Wohn- und Geschäftshaus Tübinger Straße Ecke Sophienstraße in 70178 Stuttgart, Stuttgart-Mitte (20.10.2011 - Dia 4-01  (Treppenhaus-nach-SW (3)))
Abbildungsnachweis
Keller mit ehemaligen Weintanks / Wohn- und Geschäftshaus Tübinger Straße Ecke Sophienstraße in 70178 Stuttgart, Stuttgart-Mitte (20.10.2011 - Dia U2-03 (nach-N))
Abbildungsnachweis
Blich nach Nordosten auf den Hinterhof bzw. die Südwestansicht / Wohn- und Geschäftshaus Tübinger Straße Ecke Sophienstraße in 70178 Stuttgart, Stuttgart-Mitte (20.10.2011 - Dia 0-00 (Außenansicht-SW (1)))

Zugeordnete Dokumentationen

  • Bauhistorische Untersuchung

Beschreibung

Umgebung, Lage:
Das Gebäude liegt am nordöstlichen Rand eines innerstädtischen Geländes, das die Paulinenbrücke, die Tübinger Straße und Sophienstraße sowie die Marienstraße begrenzen, im Bereich des ehem. Gerberviertels Stuttgarts.
Lagedetail:
  • Siedlung
    • Stadt
Bauwerkstyp:
  • Wohnbauten
    • Wohn- und Geschäftshaus
Baukörper/Objektform (Kurzbeschreibung):
Das zu Wohn- und Geschäftszwecken konzipierte Gebäude Tübinger Straße 22 Ecke Sophienstraße 21a setzt sich aus drei längsrechteckigen Gebäudekörpern zusammen. Zwei fluchten entlang ihres jeweiligen Straßenverlaufs aufeinander zu und umgrenzen zusammen mit dem rückwärtigen Hofraum einen zu drei Seiten, und unter Hinzunahme des Nachbargebäudes Sophienstraße 21b samt dessen rückwärtigem Hofraum fast allseitig geschlossenen, kleinflächigen Innenhof. Der schmale Hofraum – das Rückgebäude – trifft dabei im rechten Winkel auf die Gebäudehälfte der Tübinger Straße, mit der zusammen er eine strukturelle Einheit bildet; ihre gemeinsame Außenwand blieb, da lange Zeit vom Nachbargebäude Tübinger Straße 24 verstellt, ungegliedert. Das Gebäude bildet demnach zwei Straßenfassaden aus, die am Kreuzungspunkt im stumpfen Winkel aufeinander treffen; die Ecke ist flach gegen diesen geschlossen.
Die Fassaden sind steinsichtig gehalten und werden gekennzeichnet von einem regel-mäßigen Fugenbild der Werksteine. Verwendet wurde ebenso für das Mauerwerk wie für den Dekor Naturstein und gestärkt auf diese Weise der monochrom-uniforme Charakter des Gebäudes.
Innerer Aufbau/Grundriss/
Zonierung:
Das Eckgebäude erhebt sich über zwei Untergeschossen, wobei das erste in etwa zwei Drittel der Höhe des zweiten erreicht. Hervorgehoben sei ihre innere Struktur, denn deutlich wird heute nur noch dort die bauzeitliche Unterteilung des Gebäudes, deren Grundstruktur sich annähernd uniform über alle Geschosse zog: Eine Stützenreihe teilt dort jedes Geschoss mittig in zwei Schiffe der Länge nach und scheidet quer vier- bzw. fünf Achsen in der Gebäudehälfte Sophienstraße aus sowie drei Achsen in jener der Tübinger Straße; der Kellerraum unterhalb des Hofraumes blieb einräumig ungeteilt. Mit fünf Vollgeschossen bzw. vier im Bereich der drei äußeren Fensterachsen auf Seiten der Sophienstraße erstreckt sich der Bau einheitlich über einem zwei Geschosse übergreifenden Sockel. Er wird von einer mächtigen Pfeilerarkatur zusammengefasst, deren Mauerwerk zugunsten großer Schaufenster im Erdgeschoss und gleichermaßen weiter Öffnungen im 1. Obergeschoss weitestgehend auf die tragende Struktur reduziert wird. Ein umlaufendes, mehrfach profiliertes und Zahnschnitt versehenes Gebälk stellt den oberen Abschluss des Sockels dar und bildet dort eine formale wie strukturelle, horizontale Zäsur, die der funktionalen Scheidung des Gebäudes geschuldet ist; trennt den Laden- und Geschäftsbereich in den beiden Sockelgeschossen von den Wohnzwecken vorbehaltenen Obergeschossen.
Jeweils fünf Fensterachsen gliedern die Straßenfassaden, wobei die in Breite und Höhe gleichmäßig hochrechteckigen Fensteröffnungen der äußeren vier Achsen durch einen im 2. Obergeschoss zur Dreiviertelsäule umgearbeiteten, ansonsten wie die Gewände stabartig profilierten Mittelpfosten zweigeteilt werden, während die Fenster der fünften, innersten Achse, bei schmalerer Breite, ungeteilt sind. An der Gebäudeecke ist, in folglich zentraler Position dem flachen Abschluss der ein Kastenerker über längsrechteckigem Grundriss im 1. und 2. bzw. polygonalen Grundriss im 3. Obergeschoss vorgelagert, getragen von zwei Konsolen auf Höhe des 1. Obergeschosses. Auf diese Weise wird die Ecksituation strukturell und durch die an dieser Stelle des Gebäudes reichste Bauzier – wenn auch im Vergleich zur Bauzeit deutlich reduziert – eindeutig als Fassadenmitte markiert; überhöht ursprünglich von einer die Dachfirste überragenden Haubenbedachung.
Die hervorspringende Traufe wird im Verlauf begleitet von einem sowohl in der Zier als auch im Volumen stark reduzierten Kranzgesims mit feinem Zahnschnitt. In doppelter Funktion als unterer Abschluss der flach geneigten, mit Schleppgauben besetzten Satteldächer wie oberste Horizontale des Gebäudes ist es für den Eindruck der Breitenausdehnung ebenso wie das beinahe Verschwinden der Dachhäute dahinter maßgeblich mitverantwortlich. Sie wird ferner bekräftigt durch die formale Dreiteilung des Baukörpers in zwei äußere Blöcke zu Seiten eines betont aufwendiger gestalteten und zudem strukturell ausgeschiedenen Mittelblocks; dieser wird in einer direkte Gegenüberstellung der beiden Hausfassaden besonders deutlich, fällt durch die Ecksituation jedoch nicht unmittelbar ins Auge. Provoziert wird der Eindruck zum einen, trotz des Verzichts auf einen tatsächlichen Vorsprung des Blocks aus der Fassade, vergleichbar einem Risalit, durch die gestalterische Rhythmisierung der Fensterachsen. Dabei sind die äußeren drei jeweils zu einer Einheit zusammengefasst, betont an der Tübinger Straßenseite durch den der zentralen Fenstersachse vorgelagerten Erker, der an dieser Stelle als Symmetrieachse fungiert. An der Sophienstraße wurden genau diese drei äußeren Achsen in der Höhenerstreckung um ein Geschoss gemindert, was ihre Zusammengehörigkeit optisch forciert; obgleich diese Reduzierung in erster Linie gewiss die Hanglage dieser Gebäudehälfte bedingte, hätte dieser Bauteil bei einheitlicher Geschosszahl doch das gesamte Gebäude ansonsten deutlich und somit zu Ungunsten der gewählten Fassadenmitte überragt. Zum anderen ist der Abstand an beiden Fassaden zwischen der dritten und vierten Fensterachse vergrößert. Diese Dehnung resultierte an der Tübinger Straßenfassade aus dem Auftreffen einer tragenden, infolge massiven und daher breiten Trenn- bzw. Brandwand ebendort, eine solche existierte innerhalb der Gebäudehälfte Sophienstraße jedoch zu keiner Zeit. Entsprechend floss die Struktur umgekehrt und an dieser Stelle eklatant augenfällig in die Gestaltung ein, denn notwendig war die Dehnung des Achsenabstandes zu beiden Fassadenseiten jedenfalls nicht. Auf diese Weise erfolgte der Zusammenschluss der drei äußeren Fensterachsen sowie der inneren zu drei quasi selbständigen Einheiten, der ausschließlich der Betonung der Fassadenmitte dienlich ist.
Vorgefundener Zustand (z.B. Schäden, Vorzustand):
Das Wohn- und Geschäftsgebäude an der Tübinger Straße (22) Ecke Sophienstraße (21a) wurde um 1900 von Alfred Seitz im Auftrag des Weinhändlers Julius Adler zur Wohn- und Geschäftsnutzung errichtet und zeichnet sich anhaltend durch eine ebenso abwechslungsreiche historistische, wenn auch kriegslädierte Fassadengestaltung sowie ein zeitgenössisch innovatives Konstruktionssystem aus. Am nordöstlichen Rand des sog. Gerberviertels stellt es, bedingt durch die örtlichen Baumaßnahmen (2011-2012), nicht nur einen architektonischen Solitär dar, sondern führt ebendort ein gleichermaßen solitäres Daseins als Kulturdenkmal aus der Zeit um die Jahrhundertwende. Im Rahmen der angestrebten Baumaßnahme wurde das Gebäude vollständig entkernt, womit der Verlust des Kulturdenkmalstatus einherging. Dabei galt es aber, die Gestalt zugunsten des „alten“ Stuttgarter Straßenbildes an dieser Stelle zumindest äußerlich zu bewahren – sind dergleichen Beispiele im Altstadtkern, in erster Linie kriegsbedingt, doch rar gesät.
Bestand/Ausstattung:
keine Angaben

Konstruktionen

Konstruktionsdetail:
  • Wandfüllung/-verschalung/-verkleidung
    • Backstein/Lehmziegel
  • Steinbau Mauerwerk
    • Backstein
    • Werkstein
  • Skelettbau
    • Eisen- und Stahlskelett
  • Dachform
    • Satteldach
  • Gestaltungselemente
    • Zierglieder im Steinbau
  • Mischbau
    • Außenwand aus Stein
Konstruktion/Material:
Der Baukörper erhebt sich über zwei in ihrer Struktur annähernd analog errichteten Kellergeschossen: Ihre Außenwände sind aus Naturstein gemauert, so auch die Trennwand zwischen den Gebäudehälften im Bereich des 2. Untergeschosses; im 1. Untergeschoss wählte man stattdessen Ziegel. Vermittels großformatiger Natursteine sind ferner auch die Pfeiler errichtet, die als zusätzliche Stützen beide Geschosse im regelmäßigen Abstand mittig gliedern. Im 2. Untergeschoss spannen Stahlunterzüge als Deckenauflager der Kappendecke von den Pfeilern in Richtung der Außenwände. Die Vollgeschosses sind ebenfalls massiv, wobei materiell zwischen den repräsentativen und daher in Naturstein errichteten Straßenfassaden und den als Ziegelmauern hochgezogenen Hofseiten unterschieden wurde. Im Innern bestehen die tragenden Wandachsen im 2.-4. Obergeschoss aus Holzfachwerkwänden, ausgefacht mit Ziegelstein. Das Dachwerk wurde als asymmetrisches, zweigeteiltes Satteldach errichtet, dessen Sparren straßenseitig bis ins 4. Obergeschoss reichen, zum Hof hin allerdings flacher geneigt sind, wo sie noch im Dachgeschoss enden.
Bemerkenswert und daher an dieser Stelle nochmals angeführt, sei das Tragsystem im Bereich des Sockels. "Barthel & Maus" erklären die im Vergleich zu den übrigen Obergeschossen veränderte Struktur mit der divergierenden Raumnutzung als Geschäfts-bereich und Ladenzone: Zu diesem Zweck wurde auf eine durchgängige Flurwand verzichtet und diese in einzelne Stützen aufgegliedert. Zur ausreichenden Lastabtragung erfolgte ihr Aufbau in Stahl. Abgefangen wird das Tragsystem in der Decke des 1. Obergeschosses vermittels Stahlunterzügen. Es handelt sich um eine sog. Kleine’sche Decke, eine Stahlsteindecke, deren Einbau sich nach ihrer Patentierung im Jahr 1892 rasch etablierte und große Verbreitung fand. Bedingt also kann von einem Stahlskelettbau zumindest für den Gebäudesockel gesprochen werden, der zum originären Bestand zu zählen ist, wie nicht zuletzt die bauzeitlichen Pläne belegen. Seitz hielt auf Ihnen den Einsatz der „eisernen Säulen“ fest – ja gibt deren Durchmesser als eine der wenigen schriftlichen Anmerkungen explizit an – und skizziert den Verlauf der gleichermaßen stählernen Unterzüge. Wie die statisch-konstruktive Untersuchung zeigen konnte, ist der Bestand stählerner Stützen und Träger heute annähernd deckungsgleich mit den Bauplänen des Architekten.

Auszug aus der Bestandsaufnahme durch die Beratenden Ingenieure "Barthel & Maus" (München):
Das Gebäude ist sowohl entlang der Sophienstraße als auch entlang der Tübingerstraße ca.
23,5 m lang und 11,7 m breit. Der senkrecht zur Tübingerstraße angeschlossene Flügel hat
eine Länge von ca. 9,8 m und eine Breite von ca. 6,2 m. Entlang der Sophienstraße ist das
Gebäude ca. 20 m hoch. Entlang der Tübingerstraße und im Eckbereich ca. 25 m.
Zu Erbauungszeit war sowohl in der Sophien- als auch in der Tübingerstraße Nachbarbebauung
vorhanden. Das Wohngebäude in der Sophienstraße war ebenfalls in Besitz von J.
Adler. Der Neubau wurde direkt an das bestehende Gebäude angebaut, d.h. die bestehende
Giebelwand wurde für den Neubau mitgenutzt. Das bestehende benachbarte Wohngebäude
in der Tübingerstraße war in Besitz der Allgemeinen Rentenanstalt.
Im heutigen Bestand finden sich einerseits bauzeitliche Baukonstruktionen und andererseits
Baukonstruktionen aus Umbau- und Instandsetzungsmaßnahmen. Dabei handelt es sich
weitestgehend um kleinere Umbauten auf Grund von Eigentümer- oder Nutzerwechsel, wie
Abriss oder Neubau von Wänden und Einbau zweier Aufzuganlagen. 1946 wurden im Bereich
der Tübingerstraße ab dem 2. Obergeschoss Wände, Decken und Dach neu aufgebaut.
Vermutlich wurden damit kriegsbedingte Schäden behoben. Auf die Veränderungen im
Einzelnen wird hier nicht weiter eingegangen.

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